Die fabelhafte Welt des Patrik Muff

Patrik Muff Geschäft

Im Herzen der Münchener Altstadt liegt das Atelier des renommierten Goldschmieds. Muff wuchs in der Schweiz auf, studierte in Köln und ist heute international erfolgreich. Wie er seine Formen und sein Markenzeichen entwickelt …

Sein Arbeitsplatz ist Patrik Muff heilig: Wenn er seine Entwürfe in Wachs schnitzt, bevor sie in Silber oder Gold gegossen werden, sitzt er unter einem katholischen Altar, einem Fundstück vom Flohmarkt. Ringsum ist die Wand mit Schädeln und Zähnen von Tieren bedeckt. Da sind ein Haifischgebiss, Fuchszähne im Kreis auf einer Holzscheibe, der Schädel eines Kamels; Muff hat ihn an einem Strand im Oman gefunden. Auf einem kleinen Podest steht ein Pferdeschädel. „Fühlt sich an wie ein lebendes Tier”, sagt Patrik Muff und streicht über den blanken Nasenrücken. Im Atelier riecht es dezent nach Weihrauch. Auch wenn LED-Leuchten von der Decke strahlen und die Schubladen der Apothekerschränke mit gedruckten Etiketten versehen sind, gleicht ein Besuch in der Werkstatt des Goldschmieds einer Reise in die Vergangenheit.

Wie aus der Zeit gefallen wirken auch die alten Goldschmiedewerkzeuge, die Muff seit Jahrzehnten sammelt. Und doch passen sie in die Gegenwart. „Die gehen nicht kaputt”, sagt Muff, „so massiv, wie sie sind.” Selbst seinen Enkelkindern könnte er sie noch vererben. Umziehen macht mit ihnen keinen Spaß, etwa mit der hundert Kilogramm schweren Walze. Vor wenigen Monaten ist der Goldschmied mit seinem Laden in die Räume Am Kosttor gewechselt, weil die Räume in der Ledererstraße zu klein geworden waren. Hier in der Graggenau, dem nordöstlichen Teil der Münchner Altstadt, fühlt sich Muff wie in einem Paris „en miniature”, sagt er. Der Rotkäppchenbrunnen vor der Tür verleiht dem Platz etwas Fabelhaftes. Wie ein Märchen liest sich auch die Biographie des Goldschmieds. Aus einem Schweizer Dorfjungen, der gern Moped fährt und bastelt, wird ein gefragter Münchner Schmuckdesigner. „Ich war ein sportliches Kind, konnte mich aber immer schon gut konzentrieren”, sagt er. Als 15-Jähriger lernt Patrik Muff in Luzern sein Handwerk, vier Jahre später wird er Vizeweltmeister im Goldschmieden. Bald verlässt er seine Heimat, um an der Fachhochschule für Kunst und Design in Köln beim renommierten Künstler Peter Skubic zu studieren. Seine Stücke zeichnen sich heute durch eine unverwechselbare Formensprache aus. Patrik Muff liebt Motive aus Flora und Fauna, Symbole und morbide Nuancen.

Patrik Muff
Körper, Atelier und Schmuck als Gesamtkunstwerk: Der Goldschmied vor seinem Arbeitsplatz, über dem ein Altar und zahlreiche Tierskelette aus der Sammlung des Künstlers ihren Platz gefunden haben. Rechts: Atelier, Schmuckstücke und Ladenfenster von Patrik Muff.

In Deutschland läuft es für Patrik Muff von Anfang an richtig gut: Mit zwei Kommilitonen und einer Mitstudentin gründet er in Köln die Galerie „Der vierte König”. Dort kann man noch heute eine Auswahl seiner Schmuckstücke kaufen – und im Laden in München. Einen Onlineshop gibt es nicht. Er eröffnet die Bar Königswasser, benannt nach dem Säuregemisch, in dem sich Gold auflöst. Bald emanzipiert sich der Schweizer von seinem Professor, will weg von den abstrakten technischen Formen aus Stahl, die Skubic in den Neunzigerjahren entwickelt. „Ich mochte filigrane Formen, Schmuck aus Gold und Silber. Meinem Lehrer gefiel das gar nicht. Er wollte sogenannte Kunst machen, meine Arbeiten waren ihm zu handwerklich”, sagt Patrik Muff und lacht. In den neun Jahren in Köln durchlebt er eine Metamorphose, als Handwerker wie als Künstler – gleich einem der Insektenmenschen, die er noch heute auf alte Ölbilder malt: Mit weißer Farbe zeichnet er die Umrisse, Flügel und Fühler von Käfern und Schmetterlingen auf Porträts. Wie in einem Text, der mit magischer Tinte geschrieben wurde, werden Verbindungen zwischen der Welt der Menschen und der Welt der Tiere sichtbar.

Wenn Muff neue Schmuckformen entwirft, taucht der Künstler häufig in fremde Welten ein, ahmt botanische Formen, Blätter und Blüten nach, kreiert Tiere wie Kraken, Käfer oder Seepferdchen. Inzwischen hat er fast 2000 Stücke entworfen, die er jederzeit anfertigen kann. Das liegt an der Technik, die Patrik Muff und seine sechs Mitarbeitenden anwenden: Muff schnitzt den Entwurf, ein Gießer gießt das sogenannte Urmodell. Damit wird eine Form aus Kautschuk angefertigt. Wenn Patrik Muff eine der vielen kleinen Schubladen aufzieht, die das Atelier säumen, kommen etliche der Wachsfigürchen zum Vorschein. „Tod alle” steht auf einer der Schubladen, „iPod Clips”, „Herren” oder „Kreuze alle” auf einer anderen. Muffs Frau Bele hat sie alle mit viel Organisationstalent sortiert.

„So kann ich auf Wunsch jederzeit einen Ring anfertigen, den ich vor 25 Jahren entworfen habe”, sagt Muff. Im Verkaufsbereich vorn hängen natürlich die neuesten Kreationen in den Vitrinen. Auch sie tragen unverkennbar seine Handschrift: „Meine Stücke sind zeitlos”, sagt er. Ein Hufeisen kommt nie aus der Mode. Früher kaufte Muff Bücher aller Art, um sich inspirieren zu lassen, heute nutzt er das Internet. In kleinen Stadtmuseen findet er alte Silberschmiedearbeiten, im Naturkundemuseum Pflanzen- und Tierformen.

Patrik Muff Mitarbeiterin
Liebe zum Detail: Goldschmiedekunst erfordert äußerste Konzentration von Patrik Muff und seinen sechs Mitarbeitenden.

In Deutschland läuft es für Patrik Muff von Anfang an richtig gut: Mit zwei Kommilitonen und einer Mitstudentin gründet er in Köln die Galerie „Der vierte König”. Dort kann man noch heute eine Auswahl seiner Schmuckstücke kaufen – und im Laden in München. Einen Onlineshop gibt es nicht. Er eröffnet die Bar Königswasser, benannt nach dem Säuregemisch, in dem sich Gold auflöst. Bald emanzipiert sich der Schweizer von seinem Professor, will weg von den abstrakten technischen Formen aus Stahl, die Skubic in den Neunzigerjahren entwickelt. „Ich mochte filigrane Formen, Schmuck aus Gold und Silber. Meinem Lehrer gefiel das gar nicht. Er wollte sogenannte Kunst machen, meine Arbeiten waren ihm zu handwerklich”, sagt Patrik Muff und lacht. In den neun Jahren in Köln durchlebt er eine Metamorphose, als Handwerker wie als Künstler – gleich einem der Insektenmenschen, die er noch heute auf alte Ölbilder malt: Mit weißer Farbe zeichnet er die Umrisse, Flügel und Fühler von Käfern und Schmetterlingen auf Porträts. Wie in einem Text, der mit magischer Tinte geschrieben wurde, werden Verbindungen zwischen der Welt der Menschen und der Welt der Tiere sichtbar.

Wenn Muff neue Schmuckformen entwirft, taucht der Künstler häufig in fremde Welten ein, ahmt botanische Formen, Blätter und Blüten nach, kreiert Tiere wie Kraken, Käfer oder Seepferdchen. Inzwischen hat er fast 2000 Stücke entworfen, die er jederzeit anfertigen kann. Das liegt an der Technik, die Patrik Muff und seine sechs Mitarbeitenden anwenden: Muff schnitzt den Entwurf, ein Gießer gießt das sogenannte Urmodell. Damit wird eine Form aus Kautschuk angefertigt. Wenn Patrik Muff eine der vielen kleinen Schubladen aufzieht, die das Atelier säumen, kommen etliche der Wachsfigürchen zum Vorschein. „Tod alle” steht auf einer der Schubladen, „iPod Clips”, „Herren” oder „Kreuze alle” auf einer anderen. Muffs Frau Bele hat sie alle mit viel Organisationstalent sortiert.

Patrik Muff Schmuck
Zeitlos und altertümlich: Zwischen diesen Polen bewegen sich die Motive von Patrik Muff, der auch den Laden liebevoll selbst gestaltet.

„Ich bin ein optischer Typ“, sagt Muff. Und nennt ein Beispiel: Während des Studiums untermauerten manche Studierende ihre Schmuckstücke mit 20-seitigen Essays, Muff fertigte lieber 20 Stücke an und schrieb drei Seiten dazu. Heute ist Muff, Jahrgang 1962, bis zum Hals tätowiert. Die Bilder, Linien und Muster, die seinen Körper bedecken, hat er selbst entworfen. Es ist sein Körperschmuck: Schriftzeichen auf den Fingerknöcheln, ein Tiger auf dem Oberkörper, den man nur sieht, wenn er kurz sein Hemd lüftet. Muffs Karriere begann mit Männerschmuck. Bei Konzerten von Motörhead verkaufte er backstage Totenkopfringe. Noch heute verbinden viele mit seinem Namen einen punkig-barocken Stil, „aber das hat sich total geändert”. Filigrane Pünktchenmuster und verspielte Formen kombiniert Muff gern mit Gold, Silber und Edelsteinen. Und manchmal verwendet er auch die exquisite Conch-Perle. Da sie nicht gezüchtet werden kann und nur etwa eine von 10 000 Muscheln eine Perle hervorbringt, ist sie außergewöhnlich wertvoll. Mit ihrem leuchtenden Korallenrot scheint sie dem Zauberstab einer Fee entsprungen zu sein. Eher Kronjuwel als Heavy Metal.

Die Motive mögen sich geändert haben, die Textur der Schmuckstücke indes blieb gleich – sein Markenzeichen. Normalerweise schleifen Goldschmiede ihre Güsse, damit die Oberfläche schön glatt wird, doch Muff liebt die besondere Struktur direkt nach dem Guss, die an rauen Putz erinnert. Da man außer Kleidung kaum etwas so nah am Körper trage wie ein Schmuckstück, könne man damit ständig etwas über seine Persönlichkeit aussagen. Zumal man Ringe oder Ketten überall hin mitnehmen könne. Für seine nächste Kollektion will sich Patrik Muff vielleicht ins Reich der Tiere begeben. Eines steht fest, so verschieden die Motive auch sind: „Meine Stücke sehen alle irgendwie ähnlich aus, nach mir.”