Mit Gespür und Leidenschaft kocht Levin Grüten im 3-Hauben-Restaurant AO in Kranebitt bei Brixen
Muss man nach Kopenhagen fahren, um im weltbesten Restaurant „Noma“ zu speisen? Nicht unbedingt. Kranebitt heißt das kleine Dörfchen oberhalb von Brixens Altstadt am Ende der romantischen Weinbergstraße. Das Haller & Suites-Designhotel sitzt dort inmitten der Weinberge und mit ihm das minimalistisch eingerichtete Restaurant AO. Es ist die Spielstätte von Meisterkoch Levin Grüten. Der ehemalige Koch des „Noma“ avanciert zum neuen Shootingstar am Südtiroler Kochhimmel.
Erst kürzlich wurde das Restaurant von Gault & Millau mit 3 Hauben und 15,5 Punkten ausgezeichnet. Damit ist das Restaurant AO in Brixen Südtirols höchst bewerteter Neueinsteiger und der 27-Jährige kreiert Kochkunst auf höchstem Niveau.
Gelernt hat der gebürtige Belgier klassisch bei einem Sternekoch und sich in diesen drei Jahren die Kenntnisse der französischen Küche angeeignet. Geprägt hat ihn jedoch die Zeit im „Noma“ in Kopenhagen, dem immer noch weltbesten Restaurant. „Ob es das beste Restaurant der Welt ist, ist Ansichtssache. Was ich aber sagen kann ist, dass das Noma sicherlich das Innovativste ist. Das Konzept ist einzigartig. Sich auf das zu beschränken, was ums Haus herum wächst und daraus eine kreative Küche zu machen, das hat mich sehr beeindruckt und da hab ich viel mitgenommen aus der Zeit“, erzählt der Chefkoch.
Grütens Küche zu beschreiben ist herausfordernd und spannend. Der erste Impuls beim Blick auf den Teller lautet: Einfachheit und Klarheit. „Wir lassen bewusst viele Komponenten auf dem Teller weg, damit das Gericht nicht erschlagen wird“, erklärt Levin. So gesellt sich zur visuellen Einfachheit geschmackliche Raffinesse.
Levin hat sich einen ungewöhnlichen Kochstil angeeignet, der sich schlicht und modern, gleichzeitig traditionell, naturnah und reduziert präsentiert. „Uns ist wichtig, dass die Sachen regional sind und dass sie frisch sind“, so der Haubenkoch.
Bodenständig, puristisch und authentisch sind daher seine Teller. Levin Grüten verzichtet bewusst auf Produkte, die international eingeflogen werden müssen. „Unsere Region hat extrem viel zu bieten an erstklassigen Produkten“, sagt Grüten. Beim Spaziergang durch den Gemüsegarten, der sich direkt hinter dem Haus befindet, wird klar, was er meint. Von Mangold über Karotten bis hin zum Gewächshaus mit vielen Tomatensorten wächst hier alles, was das Regionale unterstreicht.
„Unser Auftrag ist, das dem Gast nahe zu bringen. Luxus ist für uns nicht, auf 3000 Metern Austern, Kaviar und weiße Trüffel zu essen“, betont er. Minimalismus auf höchsten Niveau ist das Ergebnis, das Grüten regelrecht aus seinen Töpfen zaubert. Er kombiniert Traditionelles aus beiden Länderküchen mit zeitgeistigen Elementen, es wird mit Aromen und Texturen gespielt, geradlinig und authentisch gekocht. Absolut überzeugend sind die klassischen Südtiroler Spezialitäten, die kreativ veredelt werden.
Der Weg dahin war nicht einfach. Nach anfänglichen Schwierigkeiten, die richtigen Produzenten zu finden, die ihn das ganze Jahr nach seinen Vorgaben beliefern können, hat er sich nach und nach ein Netzwerk aufgebaut, auf das er stolz ist. Strikte Auflagen werden dabei eingehalten: Die Tiere etwa müssen mindestens vier Monate auf der Weide sein und bekommen kein Kraftfutter. „Das schmeckt man einfach“, erklärt Grüten. Und so sind alle Zulieferer und Bauern aus den benachbarten Regionen. Der Ziegenfrischkäse kommt von Davids Goashof oder das Freilandhuhn vom Öbersthof in Feldthurns.
Ebenso nachhaltig ist Grüten auch bei der Fleischverwertung: From Nose to Tail lautet seine Devise. „Für uns ist es schon wichtig, wenn wir die Tiere im Ganzen bekommen, dass wir versuchen, sie auch im Ganzen zu verarbeiten. Es gibt dann nicht immer nur den Rücken oder das Filet, sondern dann gibt es auch mal was Geschmortes oder andere Teile vom Tier“, so der Maître de Cuisine. Nachhaltigkeit, die sich auszahlt.
„Wir sind auf einem guten Weg, da wir sehr gut gestartet sind mit den Auszeichnungen, die wir bekommen haben“, sagt Levin. Auf einen Stern ist er nicht aus, weil er die Trennung vom Hotel zum Restaurant als schwierig empfindet. „Auf einen grünen Stern wär ich aber schon stolz in den nächsten zehn Jahren, wenn jemand aufmerksam wird, was wir alles dafür tun mit unserem nachhaltigen Konzept“.
Grüten hat in seiner noch jungen Karriere unter anderem im Schweizer „Paradiso“ gearbeitet. Dort hat er seine Lebenspartnerin Teresa Pichler kennengelernt. Ihretwegen wurde er in Brixen ansässig und die beiden haben das Haller & Suites in dritter Generation übernommen. Teresa sorgt im Restaurant AO für die perfekte Weinbegleitung. „Highlights sind fraglos unsere zwei Tasting-Menüs, in denen sich Klasse, präzises Handwerk und Fantasie bündeln. Wir probieren die beiden Menüs vorher und stimmen dann die Weine dazu ab“, erklärt die Sommelière und liefert regelmäßig mit ihrer feinen Nase eine Geschmacksexplosion zwischen Speise und Wein am anspruchsvollen Gaumen des Gastes.
So serviert Teresa Pichler zum Ziegenfrischkäse mit roter Beete, Buchweizen und einem Karotten-Verbene-Sud einen Souvignier Gris 2017 vom Weingut Oberstein aus der Nachbarregion in Tscherms. Spontan auf der Schale vergoren, unfiltriert und nicht geschönt liefert diese PIWI Rebsorte ein viel intensiveres Aroma als filtrierte und mostvergorene Weine. Der Zitrusduft der Verbene verschmilzt mit den intensiven Zitrusaromen dieses leicht orange-farbenen Souvignier Gris. Wenn es um Foodpairing geht, versteht Teresa ihr Handwerk – die Soße spricht immer zuerst mit dem Wein und umgekehrt.
Zum anschließenden Bio-Freilandhuhn in Morcheljus mit Kartoffelstroh und Mangold schenkt sie einen 2019er-Vernatsch vom Weingut Bergmannhof ins Glas. Der Winzer Josef Pichler aus Eppan hat beim Ausbau dieser roten, autochthonen Rebsorte nichts dem Zufall überlassen. Die Vergärung samt Stielen und die anschließende Reifung im Holzfass geben diesem Wein besonderen Ausdruck, Kraft und Eleganz. Ein guter Vernatsch hat in der Nase immer Aromen von Waldpilzen und Waldboden. Und was könnte besser zum dominierenden Morcheljus passen? Mit den weiteren Komponenten auf dem Teller wirds einfach rund im Mund. Chapeau für diese gelungene Kombination.
So sorgfältig, wie Teresa Pichler mit Wein und Speise umgeht, so tut es auch Levin Grüten mit Obst und Gemüse. Seit nun etwas mehr als zwei Jahren fermentiert er Obst und Gemüse, „damit wir das, was im Sommer bei uns wächst, auch im Winter unseren Gästen servieren können. Bei uns sind die Winter hart und lang. Es ist schön, dann ein wenig Sommer auf dem Teller zu haben.“ Den Fermentierschrank dafür hat er sich aus Zedernholz bauen lassen.
Dieses ausgezeichnete Restaurant steht für absolut kreative Küche. Die Basis dafür bilden ehrliche Grundprodukte, ideenreiche Kombinationen, Neugier und ein Stück Handarbeit. Ganz eigene Wege gehen irgendwo zwischen Kopenhagen und Kranebitt. Locker, lässig und trotzdem wie gemacht für den anspruchsvollen Gaumen.
Gut zu wissen:
HALLER SUITES & AO RESTAURANT
Weinbergstraße 68
39042 Brixen (BZ) – Südtirol
T +39 0472 834601
stay@byhaller.com
www.byhaller.com
Warme Küche AO Restaurant:
Montag-Sonntag: 18:30 Uhr-21:00 Uhr